Kandersteg Silvester 2005/2006

Schweiz ist geil – oder: Zelten in der Gefriertruhe

In der Zeit zwischen den Feiertagen und dem Neuen Jahr zieht es viele in die Ferne, besonders in schneereichere Regionen.
Dieses Jahr ging es auch einigen Pfadfindern aus Heisingen, Burgaltendorf und von der Margarethenhöhe so.
Also machten sich am 27. Dezember 17 Essener auf in die Schweiz, ins schöne Kandertal im Berner Oberland.

Dort befindet sich das internationale Pfadfinderzentrum Kandersteg, wo sich zur Sommerzeit tausende junge Leute aus aller Herren Länder tummeln. Bei der Ankunft trafen wir auf eine Situation, von der man im Sommer nur träumen kann: der Lagerplatz konnte auf dem riesigen Gelände frei gewählt werden, da außer uns (d.h. bis auf fünf Feiglinge, die im Haus schliefen) keiner so wahnsinnig war, hier im Winter zu zelten.
So musste der Stellplatz auch erst einmal im Dunkeln vom Schnee befreit werden, um dann auf dem Eispanzer die große Jurte aufzustellen.

Wie sich so die erste Nacht gestaltete, kann der Autor hier leider nicht aus eigener Erfahrung schildern, da er zu den Hausschläfern gehörte.
Die Geschichtsausdrücke am nächsten morgen schwankten aber abhängig von der Qualität des Equipments und der Frequenz des Harndrangs während der Nacht zwischen „Ich will nach Hause in die Badewanne, jetzt sofort, und dann in die Sahara” und „Hatte ich mir schlimmer vorgestellt”.

Die Tage in diesem herrlichen Bergpanorama mit seinen vielfältigen Wintersportmöglichkeiten ließen aber die Unannehmlichkeiten der Nacht schnell vergessen. Für einige ergab sich die Möglichkeit, zum ersten Mal Skier oder Snowboard auszuprobieren, was zumindest zur Erheiterung der restlichen Gruppe beitrug. Die rund 3,5 km lange vereiste Schlittenbahn erlaubte ungeahnte Geschwindigkeiten und vielfältige Möglichkeiten, die Bahn ungewollt in hohem Tempo zu verlassen oder sich den Steiß zu prellen. Auch für Nicht-Wintersportler boten die Wanderwege, Seen und Seilbahnen der Umgebung genug Abwechslungsmöglichkeiten.

Hatte schon das einsame Zelt im Schnee nach der ersten Nacht die Aufmerksamkeit der örtlichen Presse auf sich gezogen, und wurden Mitglieder unserer Gruppe als offensichtlich komplett bescheuert teils mitleidig, teils ehrfurchtsvoll betrachtet, so war es mit milden -7°C doch nur eine Eingewöhnungsphase. Bei – 22°C ließ dann auch der Extremschlafsack langsam spüren, dass man sich nicht in den Subtropen befand (bei uns im Zimmer war lediglich die Scheibe ein wenig mehr beschlagen).
In jeder Beziehung schockgefrostet kamen einige Selbstzweifel auf, konnten den Stolz aber nicht besiegen. Lediglich unsere Lebensmittel vom Brot über die Milch bis zum Speiseöl konnten erst nach längerem Erhitzen überredet werden, die nun passgenauen Verpackungen zu verlassen. Dass man beim Spülen in warmem Wasser nicht gleich nach dem nächsten Besteckteil greift, da dieses sich sofort schmerzlich mit der Haut verbindet, war auch eine gewisse Primärerfahrung.

Auch die Technik war gegen die Kälte nicht gefeit, so dass wir unseren Ausflug nach Bern erst mit 1,5 h Verspätung nach zahlreichen Startversuchen und dieselrussgeschwärzten Nachbarwagen beginnen konnten. Die Abende verlagerten sich wegen der Witterung und dem recht feuchten Brennmaterial nach und nach doch in ortsfeste Räume. Der Wirt der nächsten Gastwirtschaft hatte wohl selten eine Gruppe gesehen, die mit Gitarren seine Stube stürmte und lautstark mehr oder weniger liebliche Gesänge von sich gab.

Silvester konnten wir eine Küche des Zentrums benutzen, was einen einigermaßen reibungslosen Kocherfolg sicherstellte. Alle Pfadfinder trafen sich dann zur großen Feier und zum Neujahrsglückwunsch im altehrwürdigen Versammlungssaal. Beeindruckend war unter den vielen Nationen, dass man unsere lieben Nachbarn vom platten Land wegen der traditionellen Holzschuhe auf große Entfernung hören konnte, wobei sie sich trotz erheblichem Getränkezuspruch erstaunlich flink bewegten. Andere nutzen den Trubel, um nach Mitternacht wahllos Küsschen unters Volk zu verteilen, danach verlagerte sich die Party in diverse Bars der Umgebung.
Am 1.1. machten wir aus dem Haus uns bereits auf die Rückfahrt und ließen die Zeltschläfer in ihrem Wasserloch (es hatte mittlerweile einen Temperaturanstieg von knapp 25°C gegeben) zurück. Sie zogen es dann auch vor, die letzte Nacht in der Waschküche des Pfadfinderzentrums zu verbringen. Wir verließen die gastliche Schweiz mit den Charts des Jahres 2005 im Radio, und spätestens jetzt stand für uns beruhigend fest, dass die Alpenbewohner mindestens genauso verrückt sind wie wir („Schnappi“ war hier die Nr. 1!!).

P.S.: Kanderstegs hat solch tiefe Eindrücke hinterlassen, dass diesen Sommer die Rover- und Juffistufe unseres Stammes dort ein Lager planen (Die Pfadistufe war natürlich schon 1999 da!).