Leben in Extremen – Das Sommerlager der Pfadfinderstufe
Berge und Meer sollten es schon sein und eine wärmere Umgebung war nach den letzten Lagern in Schweden und Schottland nun auch einmal dran. Mit diesen Zielvorgaben startete die Pfadistufe letztes Jahr in die Sommerlagerplanung. Allzu viele Orte gab es daher nicht, die diese Bedingungen erfüllen konnten, und so fiel letztendlich die Wahl auf die französische Mittelmeerinsel Korsika. Viel gehört hatte man von dieser vielfältigen Gegend, nur da gewesen war noch keiner von uns. Das Eiland ist zudem nicht gerade für übertrieben moderate Preise bekannt, so dass zunächst viel Engagement notwendig war, um das Geld für eine solche Reise zusammen zu bringen. Zu guter letzt brachen aber am 19. Juli sechs Pfadis und zwei Leiter nach Süden auf. Mit mehrfachem Umsteigen (Bilanz: ein verschwundener Rucksack und der Beinaheverlust eines Teilnehmers, der sich schon einer anderen Gruppe angeschlossen hatte) und der Benutzung nahezu aller möglichen Fortbewegungsmittel gelang es, nach ca. 26 Stunden Fahrt das Städtchen Corte im Inselinneren zu erreichen. Von dort führt der Fernwanderweg ‚Mare a Mare’ über das zentrale Gebirge zur Westküste. Dieser letzte Vorposten der „Zivilisation“ – mit 7000 Einwohnern eine der größten Orte der Insel – wurde noch einmal zum Einkaufen genutzt. Voller Elan starteten wir durch enge Wildwasserschluchten, erklommen Pässe und überquerten Geröllfelder.
Aus der Rückschau ist es doch beachtlich, wie gut die zum Teil extrem anspruchsvollen Etappen mit – ja nach dem wie exzessiv der Einkauf war – bis zu 20 kg Gepäck gemeistert wurden. An die Anstrengung gewöhnt man sich zwar nie ganz, nimmt sie aber nach einigen Tagen leichter hin. Als Tagesziele dienten meist abgelegene Orte mit Zeltmöglichkeiten, die Verpflegung musste oft genug für mehrere Tage mit genommen werden. Wir hatten immer alles Notwendige dabei, was ein gewisses Gefühl von Unabhängigkeit mit sich brachte (,das im wahren Leben allerdings durch das Wildcampingverbot ein wenig beschränkt wurde). Trotz der Hochsaison waren wir fast immer allein (abgesehen von immer gegenwärtigen Eidechsen) unterwegs, der Weg war kaum belaufen, die meisten Wandertouristen bevölkerten den berühmteren GR20-Wanderweg. An der Landschaft wird dies nicht gelegen haben, sie hatte so etwa alles an Grandiosem zu bieten, was man sich vorstellen kann. Das Klima könnte eher ein Hinderungsgrund für andere Korsika-Reisende gewesen sein, die Region unter 2000 m zumindest für körperliche Aktivitäten zu meiden. Die Tageshitze, die auch im Hochgebirge über 30 °C erreichte, ließ es uns sinnvoll erscheinen, lieber um 5 Uhr aufzustehen und einen Großteil des Weges schon am Vormittag hinter uns zu bringen. Daher verschob sich der gewohnte Zeltlagerrhythmus derart, dass man noch vor der Sonne aufstand und mit ihrem Untergang schlafen ging. Abendliche Lagerfeuer waren wegen der ständigen Waldbrandgefahr ohnehin nicht möglich. Für Anstrengung und Temperaturen entschädigt wurde man durch die Berglandschaft mit den höchsten Gipfeln der Insel. Die Flüsse waschen natürliche Wannen aus dem Gestein, die ideale Badebecken darstellen. Trotz der ständigen Berichte über Waldbrände gab es noch sehr große Waldgebiete, in denen es sich angenehm wandern ließ. Berge In die wenigen Orte, die wie Nester an den Berghängen kleben, verirrten sich kaum Touristen. Dies änderte sich erst schlagartig an der Westküste. Von über 1500 m Höhe ging es in mehreren Etappen wieder bis auf Meereshöhe am Golf von Porto. Gerade die Abstiege – einmal 600 m in 1,5 Stunden – auf dem kaum befestigten Weg zerrten an der Kondition.
Am Meer kam zur Hitze noch die höhere Luftfeuchtigkeit, so dass wir jetzt das Wandern zu Gunsten des Badens einschränkten. Einheimischen wie Strandtouristen müssen wir – ihren Blicken zufolge – mit unserem Gepäck ohnehin wie Außerirdische vorgekommen sein. In grünem Wasser bei Sonnenschein lies es sich einige Tage am Strand aushalten.
Zum zweiten Lagerabschnitt auf der Halbinsel Cap Corse mussten wieder öffentliche Verkehrsmittel bemüht werden, die mit ihrer Fahrweise (Bus) oder Zuverlässigkeit der Technik (Bahn) nicht weniger abenteuerlich waren. Die letzten Tage auf der ‚Insel der Schönheit’ waren wir in dem winzigen Örtchen Marine de Sicso nördlich von Bastia. Zumindest kulinarisch konnten wir hier alles nachholen, was das sporadische Angebot bzw. die Notwendigkeit, alles mitzuschleppen, auf der Wanderung nicht zugelassen hatte. Als wir die Nachtfähre nach Italien bestiegen, lag ein einmaliges Erlebnis von Natur, sportlicher Leistung und Gemeinschaft hinter uns, auf das alle Teilnehmer noch lange stolz sein werden. Das Wetter hatte auch mitgespielt, nur zwei Regenschauer hatte es in der ganzen Zeit gegeben. Als Abschlussbonbon winkte nun noch ein Tag in Mailand, bevor es nach fast drei Wochen wieder in die Heimat zurück ging.