Geschichte der DPSG

Eine Gründung mit Folgen

Lord Robert Baden-Powell of Gilwell

Lord Robert Baden-Powell of Gilwell ist deer Gründer deer Weltpfadfinderbewegung. Er wurde am 22. Februar 1857 in London geboren und starb am 8. Januar 1941 in Kenia. Mit der Pfadfinderbewegung hat er ein Programm ausgearbeitet, das Jungen und später auch Mädchen dafür ausbilden wollte, jederzeit und gerade in Friedenszeiten allen Menschen zu helfen. Wesentlich dabei war ihm eine besondere Ausbildung in Beobachtung und Erkundung. 1907 erprobte er sein Modell in einem Zeltlager und veröffentlichte 1908 das Buch »Scouting for Boys«, was zur Gründung der weltweiten Pfadfinderbewegung führte, die heute 24 Millionen Mitglieder zählt.

Erzieherische Absicht des Pfadfindertums ist es, durch das Zusammenleben in pfadfinderischen Gruppen Kindern und Jugendlichen die Chance zu erschließen, sich dem eigenen Verlangen entsprechend all das anzueignen, »wodurch sie immer mehr sie selbst werden«. Sie sollen zu einer eindeutigen persönlichen Lebensform vorstoßen, die geprägt ist durch die Bereitschaft zum Handeln auf der Basis gesellschaftlicher Mitverantwortung.

Schon bald nach dem Erscheinen der ersten Schriften von Baden-Powell kam es auch im ehemaligen Deutschen Reich zur Gründung von Pfadfindergruppen. 1909 »erfand« der Stabsarzt Dr. Alexander Lion den Namen Pfadfinder für das englische Wort »Scout« und verband in seiner Konzeption bewußt deutsche Vorstellungen von Jugendarbeit mit den Ideen Baden-Powells, weswegen es auch nicht zu einer strikten Nachahmung angelsächsischen Pfadfindertums wie z.B. in vielen anderen Ländern kam. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges gab es bereits 110000 Pfadfinder in Deutschland, die allerdings aufgrund unterschiedlicher Interpretationen des Inhalts der pfadfinderischen Erziehung in zahlreichen Gruppierungen zersplittert waren. Im Ersten Weltkrieg verblaßten allerdings die Ideale, mit denen in Deutschland das Pfadfindertum aufgebaut worden war.

 

Jugendbewegung

In der Folgezeit gewann vielmehr die Jugendbewegung an Bedeutung und beeinflußte ihrerseits die Pfadfinderbewegung: einfaches Leben, Naturverbundenheit, Fahrt und Lager, eigenständiges Denken und Handeln – diese Prinzipien gewannen zunehmend an Stellenwert.

 


 Die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg entsteht

Neuer Weg der Erziehung

In dieser Phase orientierten sich auch Gruppen der Katholischen Jugendbewegung am Pfadfindertum als einem neuen erzieherischen Weg, dem sie folgen wollten, ohne ihre Zusammengehörigkeit mit anderen katholischen Jugendgruppen zu verlieren. So entstand aus verschiedenen Wurzeln zwischen 1927 und 1929 ein neuer Zweig: ein Jugendverband, der sowohl der katholischen Jugendbewegung in Deutschland als auch der aus England kommenden Pfadfinderbewegung neue Impulse verdankte. Am 7. Oktober 1929 wurden die ersten katholischen Pfadfindergruppen, die sich in der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) zusammengeschlossen hatten, in Altenberg »zur Probe« in den Katholischen Jungmännerverband aufgenommen. Diese vorläufige Aufnahme der damals 800 Mitglieder starken Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg verstehen wir als Geburtstag unseres Verbandes. 1931 erfolgte auf der Reichstagung des Katholischen Jungmännerverbandes in Trier durch einstimmigen Beschluß die endgültige Aufnahme und in der Folgezeit wuchs die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg rasch von 3000 auf 9000 Mitglieder. Im Bereich der Katholischen Jugend wurde sie zunehmend als ein eigener, anderer Weg gesehen, den es zu gehen reizte.

 

Eigenständige geistige Entwicklung

Die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg strebte von Beginn an eine eigenständige geistige Entwicklung und eine eigenständige Formgebung an. Sie wollte ein eigenständiges Pfadfindertum entwerfen und dabei die Impulse der katholischen Jugendbewegung aufnehmen. Hieraus bestimmte sich das Fundament, auf dem der Verband immer wieder die Einfachheit, die Naturverbundenheit und Natürlichkeit, die Wahrhaftigkeit und Echtheit betonte. Die Freiheit jugendlicher Gestaltungskraft war ein Anliegen der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg, aber es war ein Freiheitsbegriff, der in ihr, wie in der katholischen Jugendbewegung überhaupt, nicht ohne Bindung gesehen wurde.

 

Keine Front gegen Erwachsene

Man suchte auch keine unfruchtbare Frontstellung gegen die Welt der Erwachsenen, sondern bezog die Erwachsenen in die Arbeit mit ein. Kennzeichnend für die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg war es ferner, daß sie von Beginn an Mitglieder aus allen sozialen Schichten und Gruppierungen aufnahm.

 

Mitglieder aus allen sozialen Schichten

Diese Entwicklungslinien führten unseren Verband zu einem eigenen Weg, der sich von dem des angelsächsischen Pfadfindertums wesentlich unterschied.

 


Ein Zeichen gegen die „Gleichschaltung“

Mit dem Wachsen der nationalsozialistischen Bewegung und der Machtergreifung 1933 sollte die Zeit der freien Gruppen der Deutschen Jugendbewegung und der Verbände bald vorbei sein. Der Machtergreifung des nationalsozialistischen Regimes folgte die schrittweise Gleichschaltung bisheriger gesellschaftlicher Organisationen »zum Schutze von Volk und Staat«. Die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg mußte erfahren, daß sie keinen Platz haben konnte im nationalsozialistischen Staatswesen. Sicherheitsdienst und Gestapo versuchten zu belegen, daß unser Verband im Sinne der nationalsozialistischen Staatsideologie gefährlich war.

 

Der Druck nimmt zu

Dabei nahm der Druck auf die einzelnen Mitglieder des Verbandes allmählich zu. Kam es bis 1936 nur zu vereinzelten Zwischenfällen und Rangeleien mit der Hitlerjugend, so nahmen die Repressionen danach deutlich zu. Die Freiheit auch von Gruppen der DPSG wurde stark eingeschränkt, und die katholischen Jugendverbände waren gezwungen, unter dem Dach der Pfarrjugend enger zusammen zu rücken. In dieser Zeit blieben vielfach jugendbündische Gruppen und Aktivitäten der katholischen Jugendverbände wie der DPSG bestehen. Insgesamt hat das NS-Regime das Milieu der »bewegten« Jugend nie völlig zerstören können. Im Auftreten nach außen in Schule und Beruf erforderte es immer mehr Mut, sich zum Glauben, einem eigenen Weg und zur Kirche zu bekennen. Entstehende Konflikte mit dem Nationalsozialismus entsprangen jedoch vielfach eher einem gewissen Konkurrenzverhalten zur Hitlerjugend und dem entschlossenem Festhalten an der Geschichte und dem Erleben der eigenen Gruppe, als einer weltanschaulich fundierten Position des Widerstandes.

Es gab dabei zwar deutliche Zeichen der Eigenständigkeit, wie die Romfahrt der katholischen Jugend 1935; einzelne Mitglieder des Verbandes nahmen Bedrohung und Verfolgung auf sich und manche saßen in den Kerkern des Staates und kamen in Konzentrationslagern um.

 

Bedrohung und Verfolgung

Gleichzeitig wurde aber die Schar derjenigen, die sich zur DPSG bekannten, kleiner, und insgesamt blieb die Position der katholischen Kirche und ihrer Jugend deutschnational. Anfang der dreißiger Jahre gewannen im deutschen Katholizismus Leitbilder von »Führung und Gefolgschaft« an Boden.

Die Kirche begann sich auf das neue Deutschland einzustellen, und es war nicht immer mehr zu unterscheiden, ob das »Reich Gottes« oder das »Reich der Deutschen« gemeint war, wenn »Kampf«, »Auferstehung« und »Ewigkeit« beschworen wurden. Gleichzeitig scheint auch die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg dem Ideal Baden-Powells einer »Erziehung zum guten Staatsbürger« unter den Bedingungen Nazi-Deutschland unkritisch gefolgt zu sein. So kam es, daß bei aller Betonung der Eigenständigkeit, sich doch viele Katholiken mehr oder weniger problemlos in das Staatssystem einfügen ließen und willig oder sogar begeistert in den Krieg zogen, den viele als eine Art Prüfung verstanden, als Situation, in die Gott den einzelnen zur Bewährung gestellt hat. Dabei bleibt es ein Verdienst derjenigen, die in diesen Tagen am pfadfinderischen Leben als eigenständiger Alternative gegen die Repressionen und Verlockungen des Nationalsozialismus festhielten, daß ein jugendkulturelles Bekenntnis möglich war und gelebt wurde.

 

Verbot und Auflösung

Als 1938 die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg zwangsweise aufgelöst und verboten wurde, wurde der Verband umbenannt in »Gemeinschaft Sankt Georg«. So wirkten Pfadfinder unseres Verbandes weiter in aller Stille, im Untergrund. Manche wagten sogar weiterhin Kontakte zu ausländischen Pfadfindern und konnten auf diese Weise Grundsteine legen für spätere Verständigung. Bereits in englischen und französischen Kriegsgefangenenlagern wurden erste Gruppen gegründet, deren Mitglieder nach der Kapitulation des nationalsozialistischen Regimes und der Rückkehr aus der Gefangenschaft sofort mit dem Wiederaufbau des Verbandes begannen.

 


 Bemühen um einen eigenständigen Weg

Der Wiederaufbau der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg nach Kriegsende griff zunächst auf Inhalte und Methoden von vor der Verbotszeit zurück. Eine intensivere Auseinandersetzung mit der Zeit des »Überlebens« im nationalsozialistischem Staat, mit Fragen von Schuld und Verantwortung oder gar einem politischen Pazifismus entsprach dabei nicht der Tradition, aus der der Verband kam und unterblieb so weitgehend. Gleichzeitig orientierten sich die Inhalte der Erziehungsbemühungen des Verbandes an den Erfordernissen der jungen Bundesrepublik Deutschland, als es sich die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg damals zur Aufgabe machte, Gemeinsinn und Rücksichtnahme des einzelnen, verantwortliche Tätigkeit und selbstlosen Dienst in den Mittelpunkt zu stellen. Es ging dem Verband um die Formung des Menschen aus dem Lichte des Evangeliums, um Zusammenarbeit mit der Familie und um den Aufbau der Gemeinschaft im Dienste der Kirche. Liebe zu Volk und Heimat, Erziehung zum Staat galten als Grundlage einer angestrebten Verständigung aller Menschen und Völker.

Obwohl die deutschen Pfadfinderverbände schon früh eine Annäherung an die 1922 gegründete Weltorganisation der Pfadfinderbewegung (WOSM) gesucht hatten, kam es erst 1950 zu einer entsprechenden Anerkennung des Ringes deutscher Pfadfinderverbände (RdP) als nationales Mitglied der Weltorganisation.

In der Zugehörigkeit zur Weltorganisation teilen die verschiedenen Pfadfinderverbände die von Baden-Powell entworfenen Grundsätze pfadfinderischer Erziehung und entwickeln auf dieser Basis ein Pfadfindergesetz und ein Versprechen in Sinn und Wortlaut der Kultur des jeweiligen Landes.

Die weltweite Pfadfinderbewegung basiert auf den Grundsätzen:

Die Grundsätze

  • Verpflichtung gegenüber Gott
  • Verpflichtung gegenüber anderen
  • Verpflichtung gegenüber sich selbst

 

Das Pfadfindergesetz

Aus diesem Verständnis heraus formulierte die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg 1930 das Pfadfindergesetz:
  • Auf die Ehre eines Pfadfinders kann man unerschütterlich bauen.
  • Der Pfadfinder ist treu Gott, der Kirche und dem Vaterland.
  • Der Pfadfinder ist hilfsbereit.
  • Der Pfadfinder ist Freund aller Menschen und Bruder aller Pfadfinder.
  • Der Pfadfinder ist höflich und ritterlich.
  • Der Pfadfinder schützt Pflanzen und Tiere.
  • Der Pfadfinder gehorcht aus freiem Willen und macht nichts halb.
  • Der Pfadfinder ist stets guter Laune, auch in Schwierigkeiten.
  • Der Pfadfinder ist sparsam und einfach.
  • Der Pfadfinder ist rein in Gedanken, Worten und Werken.

 

Das Pfadfindergesetz wurde durch das Wölflingsgesetz von 1930 und die Leitsätze der Roverschaft von 1949 ergänzt.

 

Überarbeitung der Grundlagen

Gegen Ende der fünfziger Jahre überarbeitete die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg ihre Grundlagen. In dieser Phase wurde das Erziehungsmodell Baden-Powells in seinen Hintergründen und Absichten, Methoden und Wirkungen umfassend aufgearbeitet und zeitbezogen kritisch reflektiert. Dabei gewann man folgende zwei Grundeinsichten:

  • Was man junge Menschen tun läßt, muß interessant sein, auf sie Eindruck machen und sie zum eigenen Tun anregen.
  • Man muß Forderungen stellen und das Beste aus den jungen Menschen herausholen.

 

Die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg folgerte zum damaligen Zeitpunkt, daß diese beiden Grundlinien bis zur heutigen Jugend, ihren Interessen, Schwierigkeiten und Gefährdungen ausgezogen werden müßten. Sie selbst aber seien unaufgebbar für das Pfadfindertum und mindestens so aktuell wie zur Zeit der Gründung. Alles andere an Elementen des pfadfinderischen Erziehungsmodells bedürfe der Prüfung an den Bedürfnissen der Jugend einer modernen, technischen Zivilisation und ihrer Interessen sowie der schon abzusehenden Aufgaben und Haltungen einer Menschheit von morgen. Darin erkannte man die eigentlichen Erziehungsabsichten Baden-Powells und nicht in der Festlegung auf äußere Elemente wie Gruß, Halstuch und Knoten. Diese Einsicht führte im Verband selbst jedoch kaum zu einer Veränderung erzieherischer Praxis. In vielen Bereichen der verbandlichen Realität wurde allerdings die Notwendigkeit einer Überarbeitung der verbandlichen Konzeption deutlich.

 


Ein neuer Aufbruch

Gegen Ende der sechziger Jahre fand sich die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg aufgrund des immer rascheren gesellschaftlichen Wandels plötzlich in der Nische des romantischen Waldläufertums wieder und mußte sich fragen, ob sie überhaupt noch die Anliegen und Interessen Jugendlicher aufgreifen und artikulieren konnte. Mit der emanzipatorischen Gesellschaftskritik der Studentenbewegung und ihren Einflüssen auf die gesamte pädagogische Diskussion begann auch in unserem Verband ein neuer Aufbruch.

Neuer Aufbruch

Die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg entsagte der frontalen Beispielerziehung mit stark moralisierendem Einschlag und überdachte ihren pädagogischen Anspruch und die Ordnung des Verbandes neu.

Zunehmend kamen die Gruppe und die Dynamik des Wechselspiels zwischen Groß- und Kleingruppe in das Blickfeld. Der einzelne Leiter wurde durch ein Leitungsteam abgelöst, das den sozialen Kräften innerhalb der Gruppe entsprechenden Raum geben konnte, sie freisetzen und auf ein selbstbestimmtes Programm hin bündeln sollte. Diese Gruppenarbeit stellte sich unter die Maxime der »reflektierten Gruppe«, deren Grundanliegen es ist, daß Entscheidungen unter größtmöglicher Beteiligung aller getroffen und daß Konflikte in der Gruppe selbst wahrgenommen und ausgetragen werden. Dabei sollen Kooperation und Übernahme von Verantwortung erlernt werden. Dieses Konzept hat einen direkten Bezugspunkt zu den Vorstellungen Baden-Powells, indem es abstellt auf ein Lernen durch Erfahrung und auf Inhalte und Formen, die der Gründer der Pfadfinderbewegung lange vor der wissenschaftlichen Klärung der Beziehungen in Gruppen formuliert hat.

Die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg baut auf dieses Verständnis von Erziehung auf, das ein persönliches Engagement einschließt, vom einzelnen selbst initiiert ist, den ganzen Menschen durchdringt und von ihm in der Reflexion auch bewertet wird. Ziel dieses Lernens ist die Erkenntnis über die Lebenszusammenhänge und deren Sinn. Praktisch wird dieses Lernen im pfadfinderischen Projekt als einer Handlungsform, in der sich Gruppen des Verbandes intensiv und planvoll mit einer Sache auseinandersetzen.

 

Überarbeitung der Ordnung

Die pädagogische Diskussion dieser Jahre mündete in die Überarbeitung der Ordnung des Verbandes, die 1971 ihren Abschluß in einer Neufassung fand. Zentraler Punkt dieser Neufassung sind die »Grundlinien unserer Lebensauffassung« als Orientierungspunkte für pfadfinderisches Handeln und als Weiterführung des Pfadfindergesetzes aus 1930.

 

Grundlinien der Lebensauffassung

Gleichzeitig wurden das veränderte Leitungsverständnis und die im Laufe der Jahre besetzten Schwerpunkte des verbandlichen Handelns beschrieben.

Die »Grundlinien unserer Lebensauffassung« Leben in Hoffnung, Leben in Freiheit, Leben in tätiger Solidarität und Leben in Wahrheit stellen gelebte geistige und religiöse Grundhaltungen dar, die für das pfadfinderische Leben und Handeln Orientierung geben wollen. Sie entwerfen ein Bild vom Menschen, das sich aus dem Beispiel des Lebens Jesu und der frohen Botschaft herleitet. Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind aufgefordert, Jesus Christus als Schrittmacher auf eine Zukunft hin zu entdecken, die der Glaube weist.

Auf dieser Grundlage und in konsequenter Fortführung des Synodenbeschlusses »Ziele und Aufgaben kirchlicher Jugendarbeit« von 1975 hat die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg ihr Pastoralkonzept neu gefaßt und leitet ihre Mitglieder und Verantwortlichen zu einer christlichen Praxis in der Kirche an.

In der Ablösungsphase des Verbandes von einer verengend erlebten Tradition, wo zunächst nicht sicher war, ob die pfadfinderische Lebens- und Arbeitsweise der Situation Jugendlicher überhaupt noch entspreche, entstand parallel zur inhaltlichen Diskussion und ihrem Niederschlag in der Praxis plötzlich eine verbandliche Dynamik, die den Verband um fast das Doppelte anwachsen ließ. Unter dem Eindruck der Forderungen nach offener Demokratisierung aller gesellschaftlichen Bereiche gelangte auch in unserem Verband die Frage nach dem politischen und gesellschaftlichen Engagement in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung.

Politisches und gesellschaftliches Handeln

Die Positionen entwickelten sich von der Berechtigung, ja Notwendigkeit verbandlicher Stellungnahmen zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen hin zur Frage, was die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg eigentlich zur Einübung ihrer Mitglieder in politisch-demokratisches Verhalten leiste.

In diesem Prozeß entwickelte sich immer stärker eine kritische Begleitung gesellschaftspolitischer Zusammenhänge in der Bundesrepublik Deutschland, und die neugewonnenen Einsichten fanden Eingang in die Konzepte und Positionen des Verbandes. Hier wurde zum einen ein wesentlicher innerverbandlicher Demokratisierungsprozeß eingeleitet und andererseits das notwendig kritische Bewußtsein des Pfadfinders festgeschrieben. In der Diskussion über diese Fragestellungen ist offensichtlich geworden, daß sich pfadfinderische Pädagogik nicht vom gesellschaftlichen Umfeld lösen läßt, sondern die Lebensbedingungen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen immer miteinbeziehen muß. Pfadfinderische Pädagogik muß ausgehen von Bewußtseinslage, Lebenssituation und Interessen des einzelnen und sucht im Wechselspiel mit der Gruppe die Entfaltung des einzelnen zu verwirklichen.

 

Koedukation

Eine weitere Entwicklung ist für diesen Zeitabschnitt verbandlicher Geschichte bedeutsam. Ursprünglich war die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg als reiner Jungenverband gegründet worden; Frauen wurden erst nach 1949 als Leiterinnen der Wölflingsstufe anerkannt. Aufgrund des gesellschaftlichen Umbruchs und der Entwicklungen in der verbandlichen Praxis gegen Ende der sechziger Jahre kamen immer mehr Mädchen zur Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg. Die 31. Bundesversammlung 1971 trug dieser Entwicklung Rechnung und beschrieb die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg als koedukativen Verband für Mädchen und Jungen, Männer und Frauen.

 


Schwerpunkte pfadfinderischen Engagements

Entlang ihrer Geschichte hat die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg Schwerpunkte des Engagements gesetzt, die Einfluß nahmen auf das Zusammenleben und Zusammenarbeiten der Gruppen sowie der verschiedenen Ebenen. Diese Schwerpunkte ergaben sich aus der Betroffenheit der Mitglieder und Leitungskräfte, entstanden also aus der Praxis pfadfinderischen Tuns. Gleichzeitig hat die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg diese Schwerpunkte konzeptionell gefaßt und jugendpolitisch in der Öffentlichkeit vertreten.

 

Integration von Behinderten

Schon früh sah die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg eine Aufgabe und Chance in der Integration Behinderter in das Leben des Verbandes. Integration meint dabei, daß Behinderte und Nichtbehinderte in Gruppen von Gleichaltrigen Erfahrungen machen können, die es ersteren erlauben, ihrem Wunsch gemäß ein eigenes Leben aufzubauen und letzteren einen Einblick in die vielfache Diskriminierung Behinderter vermitteln. In der Zusammenarbeit von Behinderten und Nichtbehinderten werden alle Beteiligten mit Konfliktsituationen konfrontiert, die Einstellungen und Vorurteile sichtbar machen, aber in der Reflexion eine Chance der Überwindung erfahren.

Neben dem gemeinsamen Programm in den Gruppen eröffnet die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg solche Erfahrungen in zahlreichen Zeltlagern und Freizeiten. Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei das Bundeszentrum Westernohe/Westerwald der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg ein, das ab 1955 als Begegnungsort für Behinderte und Nichtbehinderte ausgebaut worden ist.

 

Entwicklungsfragen

Die Internationalität des Pfadfindertums verpflichtet Pfadfinder in reichen Ländern zur Solidarität mit Pfadfindern in Ländern in Armut und Not, denn das Pfadfindertum ist in letzteren in den vergangenen Jahren immer mehr zu einem Faktor eigenständiger Entwicklung geworden. Die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg pflegt deshalb seit Beginn der sechziger Jahre enge Kontakte mit Pfadfinderorganisationen in Afrika, Südamerika, Asien und im Nahen Osten. In zahlreichen Projektpartnerschaften unterstützt sie lokale und regionale Entwicklungsprogramme wie landwirtschaftliche und handwerkliche Ausbildungszentren, Wohnheime, nationale Pfadfinderzentren, Ausbildungsprogramme, Saatgutaktionen und Gemeinwesenprojekte personell und finanziell. Besonders verbunden fühlt sich die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg dabei den Pfadfinderorganisationen in Benin, Rwanda, Togo und Bolivien. Andererseits erwerben die Mitglieder der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg aufgrund der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit Einsichten in die Abhängigkeitsstrukturen zwischen den Industrieländern und den sogenannten Entwicklungsländern, die ihnen Anstoß sind, z. B. für die Verwirklichung der Menschenrechte und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung einzutreten.

 

Interkulturelles Lernen

Seit Ende der sechziger Jahre setzen sich Gruppen der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg für ausländische Arbeitnehmer und ihre Familien ein. Die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg stellt fest, daß Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland zunehmend benachteiligt und diskriminiert werden. Deshalb sind die Kinder ausländischer Arbeitnehmer in die Gruppen der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg eingeladen, um auf diesem Wege Vorurteile abzubauen und Verständnis füreinander zu wecken. Trotz dieses ersten Schrittes auf ein verändertes Miteinander hin weiß die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg, daß erst in der Veränderung der staatlichen Ausländerpolitik sowie der wirtschaftlichen und politischen Situation in der Bundesrepublik und den Entsendeländern eine Lösung der Problematik angestrebt werden kann.

Um die Erfahrungen auf diesem Feld zu vertiefen, hält die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg engen Kontakt mit den Pfadfinderorganisationen in den Entsendeländern und hat beispielsweise in Süditalien im Zusammenhang mit einer Erdbebensolidaritätsaktion ein handwerkliches Ausbildungszentrum für Mädchen und verschiedene Kooperativen angeregt und finanziell unterstützt.

 

Internationalität

Als Mitglied der Weltorganisation der Pfadfinderbewegung erkennt die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg eine besondere Chance darin, jungen Menschen die Vielfältigkeit der internationalen Beziehungen praktisch erfahrbar zu machen. Beginnt internationales Leben zunächst zu Hause im Kontakt mit Kindern ausländischer Arbeitnehmer, so weitet es sich in der Erfahrung internationaler Begegnungen mit ausländischen Pfadfinderorganisationen. Ein besonderer Partner für die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg sind dabei die katholischen Pfadfinder Frankreichs, die Scouts de France. Die beiderseitigen fruchtbaren Kontakte gehen bis in die Gründungszeit der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg nach 1929 zurück. Auch in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes haben Beziehungen zwischen deutschen und französischen Pfadfindern bestanden; in französischen Kriegsgefangenenlagern entstanden schon bald neue Gruppen unseres Verbandes. Der Wiederaufbau der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg war schließlich wesentlich beeinflußt vom konzeptionellen Gedankengut der Scouts de France. Beide Verbände waren Gründungsmitglieder des Deutsch-französischen Jugendwerks (DFJW). Seither haben viele tausend Pfadfinderinnen und Pfadfinder in deutsch-französischen Begegnungen ihre jeweiligen Nachbarn in Leben und Arbeit näher kennengelernt.

Darüber hinaus hält die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg enge Kontakte zu den katholischen Pfadfinderorganisationen in Italien, Spanien, Belgien und Israel. Die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg nimmt teil an internationalen Pfadfinderereignissen, insbesondere an den alle vier Jahre stattfindenden Weltjamborees. Eine besondere Verpflichtung sieht die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg auch in der Mitarbeit in der Internationalen Katholischen Konferenz des Pfadfindertums (CICS), dem Zusammenschluß aller katholischen Pfadfinderverbände oder der katholischen Räte interkonfessioneller Pfadfinderverbände nach Anerkennung durch den Heiligen Stuhl.

 

Friedenspfadfinder

Baden-Powell hat die Mitglieder der Weltpfadfinderbewegung aufgefordert, Friedenspfadfinder zu sein. Der Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden durchzieht deshalb das Engagement der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg seit der Wiedergründung nach 1945. Gerade weil es nach den Weltkriegen und der Vertreibung nicht gelungen ist, das Abschlachten der Menschen untereinander zu beenden, sondern zahlreiche andere Kriege und terroristische Anschläge Millionen weiterer Opfer gefordert haben, sieht die Pfadfinderbewegung als weltweite Organisation ihre Aufgabe in der Erziehung zu internationaler Verständigung, ohne aber deswegen auf die Forderung einer politischen Friedenssicherung zu verzichten. Gleichzeitig sieht die Pfadfinderbewegung eine steigende Gefahr in der Zunahme der Verelendung immer größerer Teile der Menschheit und der Ausweitung sozialer Gegensätze. Weil sie sich für die Überwindung dieser bedrohlichen Entwicklungen einsetzt, hat die Weltorganisation der Pfadfinderbewegung 1981 den Friedenspreis der UNESCO erhalten.

 

Ökologie

Viele Aktivitäten der Gruppen des Verbandes finden im Freien statt, nützen Fahrt und Lager als »Ernstfall« pfadfinderischen Lebens. Natur- und Umweltschutz waren der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg deshalb schon immer ein besonderes Anliegen. Angesichts einer fortschreitenden ökologischen Krise kann und will sich das Engagement des Verbandes jedoch darin nicht erschöpfen. So fordert die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg, daß sich die Mitglieder in ökologischen Fragen sachkundig machen, in verschiedenen Projekten, wie z. B. in der Anlage von Biotopen, praktische Erfahrungen sammeln und auf dieser Grundlage die Verflechtung von Ökologie und Ökonomie in den Blick nehmen.

Die 46. Bundesversammlung 1985 hat herausgestellt, daß die zunehmende Bereitschaft von Kindern und Jugendlichen, konkret etwas »für unsere Umwelt« zu tun und dies auch im eigenen Lebensstil zu verwirklichen, für die Leitungsgremien des Verbandes ein Anlaß sein muß, nach politischen Wegen zu suchen, um christliche Schöpfungsverantwortung wahrzunehmen. Stämmen und Bezirken wird empfohlen, in besonderer Weise ihre Aufmerksamkeit ökologischen Problemen im eigenen Lebensraum zu widmen und dabei Kooperationen mit Initiativen und anderen Organisationen einzugehen, die sich auf diesem Feld engagieren.

Um die vielfältigen Aufgaben und Projekte dieser Schwerpunkte qualifiziert angehen und behandeln zu können, benötigt die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg zusätzliche Finanzmittel.

 

Flinke Hände, flinke Füße

Aus diesem Grund hat der Verband im Jahre 1961 die Jahresaktion »Flinke Hände, flinke Füße« ins Leben gerufen, die bundesweit für wechselnde soziale Projekte durchgeführt wird. Seither sammeln die Mitglieder der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg jährlich Geld für die jeweiligen Projekte und betreiben entsprechende Bewußtseinsbildung in der Öffentlichkeit zu Zweck und Inhalten der verschiedenen Aktionen.